Debatte über Baukultur und Klima
"Wir müssen anfangen, ganzheitlich zu denken." Treffpunkt Architektur Schwaben
„Wenn auf der Seite der Verwaltung nur noch Juristen Verhandlungspartner sind und keine Fachleute, dann bremst das auch die Innovationen im Bau aus“, erläuterte die Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer, Lydia Haack in dieser Woche während der Podiumsdiskussion des Treffpunktes Architektur Schwaben (TAS) im Maximilianmuseum.
Denn dann werde bei Bauvorhaben statt auf Kreativität und Mut eben ausschließlich auf die Einhaltung von Vorschriften gesetzt. Leider - und eben oft auch die Kreativität eindämmend - ist beim Bauen ein riesiges Regelwerk von 3000 Normen und Verordnungen zu beachten. Neue Denkwege seien gefordert, so Haack. Das Normensystem sei ein sich selbst erhaltendes System. „Fragen wir uns doch mal, warum wohnen wir gerne in einem Altbau? Weil er flexibel nutzbar ist, das hat er hundert Jahre lang mit verschiedenen Mietern und Inhabern bewiesen.“
Die Teilnehmer des Podiums - zu denen neben Moderator und TAS-Vorsitzendem Frank Lattke auch Augsburgs Theaterintendant André Bücker und Anette Hafner, Professorin für Ressourceneffizientes Bauen der Uni Bochum, gehörten - waren sich einig, dass es vor allem auf die Ausarbeitung der Vorprozesse ankommt. Je klarer die Ansprüche der Bauherren an ihre Objekte formuliert sind, desto besser für die architektonische, konkrete und klimabewusste Planung.
"Wenn wir 2040 klimaneutral sein wollen, müssen wir jetzt anfangen, ganzheitlich zu denken“, gab Anette Hafner zu bedenken, die auch als Beraterin für die Bundesregierung tätig ist. Dazu gehöre zum Beispiel das Recycling von Baustoffen. 90 Prozent der mineralischen Rohstoffe landeten im Bau, 50 Prozent des Mülls entstehe im Baugewerbe, da müsse ein Kreislauf her, für den es bis jetzt jedoch keine Infrastruktur gebe.
„Früher war es günstiger, abzureißen und neu zu bauen. Heute müssen wir erhalten und erweitern“, erläutert die Architektin
Haack. Wenn die Baukosten realistisch berechnet würden, sei Bestandserneuerung langfristig in vielen Fällen weniger schädlich für die Umwelt und schon deswegen günstiger.
In der aktuellen Bauflaute sieht Anette Hafner zudem auch einen Freiraum, um einen Paradigmenwechsel im politischen, wirtschaftlichen und normenfixierten Denken zu verankern.
Sie hatte jedoch keine Anregungen parat, um zu erklären, wie solch ein Paradigmenwechsel tatsächlich verankert werden soll:
Die Bevölkerung muss bei den bahnbrechenden, anstehenden Entscheidungen mitgenommen werden - sicherlich auch durch Verzicht auf augenblicklichen Lebensstandard, um einen zukünftigen Standard möglichst sichern zu können.
Die Diskussionen über die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) haben uns gezeigt, wie wenig beweglich, wie ängstlich und auch wie kontrovers Deutschland mit Veränderungen umgeht.






